Kalligraphie ist viel mehr als nur “schön” schreiben

Es kann mitunter sehr meditativ sein – das Schreiben in Kalligraphie. Annie Imboden übt dieses edle Handwerk seit rund 13 Jahren aus

«Im Schulfach «Schönschreiben» an der Primarschule wurde früher nicht Kalligraphie unterrichtet, sondern leserliches Schreiben» sagt Annie Imboden. «Und trotzdem malte ich liebend gerne die wundervollsten Titel in meine Hefte, denn Schreiben war schon immer meine Leidenschaft.»

Aber so richtig in Kontakt mit «Schönschreiben» kam die heute 77-jährige erst viel später. Sie besuchte anlässlich einer Brauchtumswoche, organisiert von der Schweizerischen Trachtenvereinigung, einen Schnupperkurs in Kalligraphie. «Da hat’s mich komplett gepackt» wie sie schmunzelnd verrät.

Inzwischen hat die zweifache Mutter aus dem Berner Seeland mehrere Kurse und Workshops besucht, vermittelte unter anderem interessierten Schülerinnen und Schülern während der Wahlfachwoche an der Schule Birmenstorf einfache Kalligraphie- Grundkenntnisse und ist mittlerweile auch Mitglied bei der Schweizerischen Kalligraphischen Gesellschaft.

 

Die Kunst des schönen Schreibens

Kalligraphie stammt vom Griechischen «kállos» = schönheit / graphie = schreiben von Hand ab. Imboden bezeichnet es eher als ein «ausdruckstarkes Schreiben». Nicht unbedingt schön sollte es sein, sondern stimmig zum jeweiligen Text.

Es gibt verschiedene Kalligraphie-Schriftarten. Die meistverbreiteste ist die Westliche, welche in unseren Breitengraden üblicherweise verwendet wird. Es gibt aber auch wie z.B die Hebräische, Arabische, Chinesische und viele andere Kalligraphiearten. Schon vor Christus verständigten sich die Völker mit Bildern, Hieroglyphen und Zeichen. Griechen und Römer ritzten ihre Texte in Stein oder malten auf Pergament. Früher war Kalligraphie eine Beschäftigung der Mönche, welche im stillen Kämmerlein schrieben und religiöse Texte verzierten. Die verschiedenen dazugehörigen benötigten Materialien wie Tinte, Tusche, Gouache, Federhalter, Schreibfedern und Papiere besorgt sich die Birmenstorferin jeweils online oder direkt beim Künstlerbedarf.

 

 

 

Schnell geht plötzlich auch mal ein Buchstabe vergessen

«Bevor ich überhaupt mit Schreiben beginne mache ich mir Gedanken, auf was ich schreiben möchte. Soll es auf Papier sein (teilweise handgeschöpft), gar einer Leinwand oder auf Holz oder einem sonstigen Material. Später mache ich einige Schreibproben in meinem Übungsheft, schreibe ich mit der Spitzfeder, Bandzugfeder, Pinsel oder einem anderen Schreibwerkzeug – messe die Buchstaben und den Abstand ein» erklärt die seit 56 Jahren mit Leo verheiratete Pensionärin. Erst dann wird auf dem vorher bestimmten Objekt geschrieben. Wenn Imboden experimentell schreibt, brauche sie lediglich ihre Vorstellungskraft. Wichtig sei einfach, sich nicht ablenken zu lassen, denn schnell geht plötzlich ein Buchstabe vergessen … und dann beginne alles wieder von vorne. Es sei die Ruhe während dieser Arbeit, welche sie mit umfassender Zufriedenheit

erfülle und welche Zeit und Raum, wenn auch nur für kurze Zeit, wie wegwische.

 

Positivste Rückmeldungen machten Mut

Mittlerweile hat die vierfache Grossmutter und Urgrossmutter von Sofia die verschiedensten Schriftbilder auf Karten, Leinwand, Papier, Stein, Holz, Stoff und Blech beschriftet und arbeitet auch gerne auf Auftrag.

Erstmals stellte Imboden ihre Kalligraphiearbeiten öffentlich aus, als der Kulturkreis Birmenstorf einen «Tag der offenen Kultür» organisierte. Die Rückmeldung der Besucherinnen und Besucher sei gewaltig gewesen. Dies gab ihr auch den nötigen Motivationsschub, zwei Jahre später, im 2017 eine grössere Ausstellung, zusammen mit Joan Vogler, im Gemeindehaus Birmenstorf durchzuführen.

Zudem durfte Imboden bei der im Dorf ansässigen bekannten Chinesischen Kunstmalerin «Yan Yan» eine Bilderserie «Zwei Welten, eine Künstlerin» mit ihrer Kalligraphie ergänzen. Die Arbeit wurde dann anlässlich der «Art International Zürich» ausgestellt. Während des ersten Lockdowns folgte sie dem Aufruf eines Pfarrers, der jemanden suchte, welcher für sein Buchprojekt «Hoffnungszeichen in Krisenzeiten» Bibelverse kalligraphisch umsetzen würden. Unter den vielen eingesandten kalligraphierten Bibelworten wurde auch eines von Imboden für dieses Buch ausgewählt. «Es ist unglaublich schön, dass meine Kreativität so wohlwollend anerkannt wird» freut sich die Birmenstorferin. «Denn Vergangenes ist Geschichte, zukünftiges ein Geheimnis, aber jeder Augenblick ein immenses Geschenk und mag es noch so klein sein» ergänzt Imboden.

 

 

Isabel Steiner Peterhans

 

 

Annie Imboden

Lättestrasse 6B

Birmenstorf

056 225 18 32 / 079 255 28 20

Autor: Isabel Steiner Peterhans / publiziert im “Der Reussbote” vom 25. März 2022

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